Donnerstag, 15. August 2013

Verletzungen der Phantasie [Zitat]

"Von da an fügten wir uns wieder in unser Gefangensein, waren wir auf unsere Vergangenheit angewiesen, und auch wenn einige von uns versucht waren, in der Zukunft zu leben, gaben sie es schnell auf, wenigstens sofern sie konnten, als sie die Verletzungen spürten, die die Phantasie letztlich denen zufürgt, die sich ihr anvertrauen."*

*Albert Camus: Die Pest. Hamburg: Rowohlt Verlag 1997, S.83

Sonntag, 11. August 2013

Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins [Rezension]

Als der hartnäckigen Hitzewelle endlich ein paar kühlere Tage folgten erwachte meine Leselust endlich wieder aus ihrer Sommerstarre und passend zum Wetter wollte ich mal wieder etwas Tiefsinnigeres lesen.


Inhalt:


Der Gehirnchirurg Thomas ist seit seiner gescheiterten Ehe überzeugter Junggeselle und versucht sich emotional so weit wie möglich von seinen Liebschaften zu distanzieren. Als im jedoch die Serviererin Teresa aus einem Vorort von Prag nachreist sieht er sich gezwungen sie bei sich aufzunehmen, wobei er hin und hergerissen ist von dem Wunsch der Situation zu entkommen und jenem sie zu beschützen. Schließlich beugt er sich und zieht mit ihr zusammen, kann jedoch seiner Untreue nicht Herr werden.

Mistys Meinung:


Lang bin ich an diesem Buch in meinem Regal vorbeigeschlichen mit dem Vorbehalt, dass ich keine Lust auf eine Liebesgeschichte hatte, selbst wenn diese, wie der Klappentext verlautbart "höchste intellektuelle Ansprüche befriedigt" (was immer das genau heißen mag). Als ich es schließlich doch zur Hand nahm war ich jedoch positiv überrascht von der realistischen Handlung. Der Autor belässt es weder bei den sonst so übertriebenen Illusionen einer Beziehung, noch geht er dazu über diese zu einer gegenseitigen Zerstörung und Abhändigkeit der Figuren herabzustufen (so empfinde ich es zumindest ich es bei vielen klassischen Autoren).

Die Untreue von Thomas beschreibt der Autor zudem sehr objektiv, sodass man als Leser nicht recht weiß ob man ihn nun verurteilen oder verstehen möchte, obwohl ich mir doch an einigen Stellen definitiv mehr Gegenwehr von Teresas Seite gewünscht hätte und entsprechend verärgert über ihre Hilflosigkeit war.

Die Handlung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Beziehung der beiden, im Mittelpunkt steht vor allem auch der Prager Frühlung und die Reaktion der Hauptfiguren darauf, wobei immer wieder interessante Reflektionen und Metaphern von diesen aufkommen. Besonders die Folgen bzw. das Scheitern des Kommunismus wird von Thomas mit sehr gewitzten und intelligenten Metaphern verurteilt.

Manche psychologische Erklärungen des Autors für das Verhalten seiner Figuren konnte ich zwar nicht nachvollziehen, beziehungsweise erschienen sie mir übertrieben konstruiert, aber trotzdem habe ich mir viele Weisheiten und schöne Formulierungen im Buch markiert. Erschienen mir die Figuren auch manchmal ein wenig zu distanziert berührte mich ihre Geschichte trotzdem wiederholt und brachte mich an einer Stelle sogar tatsächlich zum Weinen (wenn  wohl auch mein persönlicher Hintergrund zusätzlich dazu beigetragen hat).

Fazit:


Eine an vielen Stellen sehr realistische Erzählung mit klugen, witzigen Formulierungen, die einen guten Einblick in die Gedanken der Figuren geben und das Buch in Summe wirklich sehr empfehlenswert machen.

Leseprobe:


"Die Personen meines Romans sind meine eigenen Möglichkeiten, die sich verwirklicht haben. Deshalb habe ich sie alle gleich gern, deshalb machen sie mir alle die gleiche Angst. Jede von ihnen hat eine Grenze überschritten, der ich selbst auchgewichen bin. Gerade diese unüberschrittene Grenze (die Grenze, jenseits derer mein Ich endet) zieht mich an. Erst dahinter beginnt das große Geheimnis, nach dem der Roman fragt. Ein Roman ist nicht die Beichte eines Autors, sondern die Erforschung dessen, was das menschliche Leben bedeutet in der Falle, zu der die Welt geworden ist."*

* Milan Kundera: Die unterträgliche Leichtigkeit des Seins.Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1992, S.212
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Titel: Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Autor: Milan Kundera
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 300 Seiten

Freitag, 9. August 2013

Pandora im Kongo [Rezension]

Nachdem ich Anfang des Jahres voller Begeisterung das Buch "Im Rausch der Stille" (Rezension) von Albert Sanchez Pinol gelesen hatte, (das ich zuvor zufällig auf dem Flohmarkt entdeckt hatte) musste ich unbedingt ein weiteres seiner Bücher versuchen. So bestellte ich mir Pandora im Kongo und als es auf meiner Leseliste für die SuB-Abbau-Challenge auftauchte beschloss ich nun es mir gleich vorzunehmen.

Inhalt:


Der Schriftsteller Thomas Thomson, der in seinem Leben bisher nur als Ghostwriter schlechter Groschenromane fungierte, bekommt von einem Anwalt den Auftrag die Lebensgeschichte des zum Tode verurteilten Marcus Galvas niederzuschreiben. Zunächst verwirrt ihn dieser Auftrag und er hat Schwierigkeiten sich mit dem Gefangenen zu verständigen, doch bald schon wird er von dessen Geschichte mitgerissen und begibt sich in Gedanken selbst auf die Reise in den Kongo, die Marcus mit zwei reichen Engländern gemacht hatte und für deren Ermordung er angeklagt ist. Thomas ist jedoch überzeugt von Marcus' Unschuld und versucht dies in seinem Buch hervorzuheben. Als in Marcus Bericht jedoch schließlich die unbekannte, weißhäutige Amgam, die laut Angaben von Marcus aus dem Untergrund gekrochen kam, auftaucht, verändert sich Thomas Einstellung schlagartig.

Mistys Meinung: 


Zunächst empfand ich die Geschichte des Protagonisten Thomas als recht neu im Vergleich zum anderen Werk des Autors und genoss die humorvolle Erzählweise über sein Leben als Ghostwriter in London noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Dabei kommt es zu mehreren witzigen und ironischen Anmerkungen der Figur über den Literaturbetrieb und ich musste wirklich mehrmals laut lachen. Auch die Handlung im Kongo entsprach etwas Neuem und ich war wiederholt schockiert vom beschriebenen Umgang der Engländer mit den dunkelhäutigen Ureinwohnern.

Als schließlich jedoch die Figur Amgan ins Spiel kommt sah ich mich plötzlich ziemlich in die Handlung von "Im Rausch der Stille zurückversetzt". Auch dort ist die weibliche Hauptfigur ein humanoides Fischwesen, welches vom Protagonisten verehrt wird.  Zwar kommt Amgam aus der Erde und benimmt sich um einiges menschlicher und zugänglicher als die Figur des anderen Buches, gleichen sich die Konzepte doch sehr. Auch in "Pandora im Kongo" versucht ihr Volk einen Krieg zu führen und greift unvorhergesehen und wiederholt an.

Ich weiß nicht wirklich was ich von dieser Ähnlichkeit der Handlung (allein mit unterschiedlichen Schauplätzen) halten soll und konnte mich bis zuletzt nicht entscheiden ob ich froh oder eher enttäuscht darüber sein soll. In Summe würde ich sagen, dass ich es eher als negativ empfand, da die gesamte Handlung in "Im Rausch der Stille" abgestimmter und zusammenhängender wirkt als in diesem Werk. Müsste ich mich entscheiden welches der beiden Bücher ich empfehlen sollte so würde meine Wahl definitiv immer auf "Im Rausch der Stille" fallen, doch fairerweise muss ich anmerken, dass auch das andere Werk für sich einiges zu bieten hat und für Leser, die sich mit dem Autor noch nicht befasst haben durchaus ein gutes Einstiegswerk darstellt.

Fazit:


Eine interessante, innovative Erzählung, die jedoch bei Lesern von "Im Rausch der Stille" einen zu hohen "Wiedererkennungswert" hervorruft und eher nicht nach diesem gelesen werden sollte.

Leseprobe:

"»Es geht mir aber nicht um die Bereicherung, sondern um meine Unsterblichkeit. Ich vermenge Kunst nicht mit finanziellen Interessen.« Er hob einen belehrenden Finger in die Höhe und fügte hinzu: »Der Unterschied zwischen der Literatur und der Literaturindustrie, Herr Thomson, ist der, dass es bei der ersten um Buchstaben geht und bei der zweiten um Zahlen.«"*

*Albert Sánchez Pinol: Pandora im Kongo. Frankfurt am Main:S.Fischer Taschenbuchverlag 2009, S.402
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Titel: Pandora im Kongo
Autor: Albert Sanchez Pinol
Sprache: Deutsch
Taschenbuch: 478 Seiten

Montag, 5. August 2013

Das Schicksal einer Tochter [Zitat]

"Die Mutter erklärte Teresa unablässig, daß Mutter sein bedeute alles zu opfern. Ihre Worte klangen überzeugend, zumal sie die Erfahrung einer Frau zum Ausdruck brachte, die ihres Kindes wegen alles verloren hatte. Teresa hörte zu und glaubte, daß der höchste Wert im Leben die Mutterschaft und daß Mutterschaft ein großes Opfer sei. Wenn die Mutterschaft aber ein >Opfer< ist, dann ist das Schicksal einer Tochter eine >Schuld<, die niemals wiedergutzumachen ist."*

*Milan Kundera: Die unterträgliche Leichtigkeit des Seins.Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1992, S.45