Sonntag, 12. Februar 2017

Zorngebete [BD-Rezension]

Wie bei mir so üblich eskaliere ich gerne einmal, wenn ich ein neues Medium/Genre entdecke, das mich begeistert. Soll heißen, alle anderen Hobbies und vor allem Leseleidenschaften werden erstmal in den Hintergrund gedrängt. So habe ich mich im Februar bisher hauptsächlich quer durch unterschiedliche Manga-Reihen gelesen und war damit eigentlich ausreichend okkupiert. Da ich diese allerdings vermutlich nur Reihen oder zumindest in 10er Bände-Etappen rezensieren werde habe ich nun die Gelegenheit alle ausstehenden Rezensionen nachzuholen.


Inhalt:


Die junge Jbara fristet ein ärmliches, von Männern dominiertes Leben in einem scheinbar gottverlassenen Dorf mitten in der Wüste. Doch sie glaubt fest an Gott, nur erwünscht sie sich von ihm ein anderes, weltverbunderes Leben. Ihr Wunsch wird erfüllt, als ein Koffer bestückt mit teuren Gewändern und Geld von einem passierenden Touristenbus fällt. Verwegen macht sich Jbara mit diesen Reichtümern in die Stadt auf, doch hat sie ihre Vergangenheit und Abhängigkeit mit im Schlepptau.

Mistys Meinung:


Dieser Comic, der eine bildreiche Adaption des Romans von Saphia Azzeddine darstellt, hat mich eindeutig alles andere als kalt gelassen. Als große Freundin fantasievoller Unterhaltungsliteratur in der Comic Sektion bin ich ernste Themen nur aus der Belletristik gewöhnt, ich hatte also keine Ahnung wie gut sie gerade auch in Bildern wirken können. Die Geschichte und ihre starken Zeichnungen haben mich daher sehr beeindruckt und gleichzeitig auch schockiert, sodass ich erst einige Wochen verstreichen lassen musste, um mir in Ruhe meine Gedanken darüber zu bilden.

Nun kann ich aber sagen, dass ich erstaunt bin wie gut die beiden Hauptelemente Emanzipation und Religion in dieser Geschichte ineinander greifen. Gerade im Islam müssten sich diese beiden Einheiten eigentlich schärfer konkurrieren (oder erliege ich Vorurteilen?), doch in diesem Buch führen sie durchaus eine friedliche Koexistenz, was nicht heißt, dass die Hauptfigur nicht mehrmals an ihrem Glauben zweifelt. Trotzdem bleibt sie durch ihn bestärkt und sucht ihren Weg in die Unabhänigkeit, der erschreckenderweise aber vorerst nur durch Prostitution funktioniert. Doch Jbara lotet ihre Grenzen aus und gewinnt an Macht und Reichtum, wo sie kann, ohne irgendeine Form der Reue oder Erniedrigung zu zeigen. Wenn überhaupt scheinen ihr manche Eskapaden lästig zu fallen, aber an ihrem Werdegang lässt sie sich nicht hindern.

Was mich an ihr als Figur aber besonders beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass in ihren teils zornigen Anrufen an Gott zwar gewissen Klagen ausspricht, aber keine Schuldigen sucht, vielmehr stellt sie klare Fakten in den Raum, die sie aber auch als solche akzeptiert, ganz gleich wie hart es sie im Leben erwischt. Dabei fand ich es sehr passend, dass sie sich zwar positiv entwickelt und auch versucht an Bildung zu gelgangen, sie diese Möglichkeiten aber immer nur durch die Macht und Hilfe von Männern wahrnehmen kann. Diese Wendungen erschienen mir einfach authentischer, wenngleich sie natürlich auch sehr hart mit anzusehen sind. Trotzem wird beiweiten kein rein negatives Bild von ihren Helfern gezeichnet und diese Ambivalenz habe ich wirklich genossen, da sie mir ebenfalls sehr realistisch erschienen ist.

Die Zeichnungen konzentrieren sich sehr stark auf die handelnden Figuren, insbesondere auf deren Gesichter und die entsprechende Mimik. Dadurch wurden sie für mich besonders aussdrucksstark und ich konnte die Gedanken und Gefühle sehr gut nachempfinden. Brutale Szenen wurden manchmal nicht explizit gezeichnet, wodurch sie aber ihre Wirkung nicht verloren haben, da sie so die Vorstellungen des Lesers natürlich zusätzlich anheizen. Grunsätzlich drängt der Comic den Lesenden keine direkte Meinung oder Message auf, es bleit einem ganz selbst überlassen, wie man die Geschichte letztlich auslegen möchte.

Fazit:


Eine überaus gelungene, ernstzunehmene Geschichte, die eine starke Frau mit einem starken Glauben versieht und durch aussdrucksstarke Bilder zum Leben zu erwecken weiß. Emanzipation einmal anders.

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Titel: Zorngebete
Illustratoren: Eddy Simon, Marie Avril
Verlag: Splitter
Sprache: Deutsch
Gebundener Comic: 86 Seiten

Sonntag, 5. Februar 2017

Ein Meer aus Tinte und Gold [Rezension]

An und für sich wollte ich dieses Jahr wieder ein wenig mehr vom Jugendbuch wegkommen, um mich mehr der Belletristik und anderen schönen Genres zu widmen, die in letzter Zeit sträflich vernachlässigt wurden. Das hat ja super geklappt - NOT! Jugendbücher sind für mich gewissermaßen die Süßigkeiten der Unterhaltungsliteratur und ich kann einfach nicht die Finger und Augen von ihnen lassen.




Inhalt:


Seit ihrer Kindheit befindet sich die junge Sefia auf der Flucht und ist es gewohnt sich durch die Wildnis zu schlagen, um ihren Verfolgern zu entkommen. Erst als ihre Tante Nin, ihre letzte lebende Bezugsperson gefangen genommen wird, beschließt sie den Spieß umzudrehen und erklärt sich selbst zur Jägerin. Dabei traut sie sich erstmals seit dem Tod ihrer Eltern an deren Vermächtnis, ein großes ledergebundenes Buch, heran und ahnt noch nicht, dass ihr die Figuren, die darin auftauchen bald zu Hilfe kommen werden.

Mistys Meing:


Bücher über das Buch im Buch gibt es zuhauf, schließlich schreiben Bibliophile gerne etwas für Bibliophile. Ich bin was dieses Motiv angeht jedoch mittlerweile ein wenig vorsichtig, wenn nicht sogar kritisch geworden, einige dieser Geschichten spielen schließlich immer wieder mit denselben, typischen Bezugspunkten (Seitengeruch, mehr Bücher als man lesen kann etc. etc.) eines Literaturfeundes. Hier wurde ich jedoch wieder einmal positiv überrascht und davon möchte ich gerne berichten.

Was mir an diesem Buch sogleich positiv aufgefallen ist sind die vielen kleinen Hinweise bzw. "Easter Eggs", die sich überall auf den Seiten finden lassen, besonders wenn man sehr genau liest. Kritzeleien, Ausschwärzungen, Fingerabdrücke usw. Für solche Besonderheiten außerhalb der eigentlichen Geschichte bin ich immer zu haben, in diesem Falle fand ich die Verbinungen zum Plot aber besonders gut gelungen (näher möchte ich darauf nicht eingehen, sonst hätten wir hier sogleich einen Spoiler-Alert). Dadurch wurde meine Aufmerksamkeit auf jeden Fall geschärft und ich finde es wunderbar wie die Fäden hier zuletzt zusammen laufen.

Die Figuren waren nicht übermäßig außergewöhnlich, aber wenigstens ist es im Falle von Sefia nachvollziehbar, warum sie die gewohnt kühle und harte Heldin abgibt. Ihre Reaktionen waren soweit solide und somit hatte ich in dieser Hinsicht nichts weiter zu beklagen. Sprachlich war ich meistens ebenfalls zufrieden, allerdings hat sich die Autorin zu Beginn ein paar tollpatschige Schnitzer erlaubt, die ich normalerweise eigentlich nicht gutheiße. Manche Formulierungen sind nämlich etwas übertrieben poetisch, mir wäre es lieber gewesen sie wäre ein wenig mehr auf dem Boden geblieben. Aber diese kleinen Mängel konnten mich nicht am weiteren Lesegenuss hindern, da ich es ausgesprochen spannend fand, wie sie die Figuren im Buch des Buches, also jene über die Sefia liest in die Hauptgeschichte einfließen lässt. Umso mehr, da es sich dabei um die Besatzung eines Piratenschiffes handelt. Eine gewagtes aber in diesem Fall sehr gut durchgezogenes Highlight für die ganze Story.

Auch andere Helden und deren Geschichte werden sehr geschickt mit dem Hauptstrang verbunden und ich erlebte die eine oder andere Überraschung. Die beschriebenen Inselreiche fand ich zumden als Handlungsort recht erfrischend und schön beschrieben. Allerdings habe ich mich ein wenig gewundert, dass sich im gesamten Buch keine Karte dieser fiktiven, neuen Welt finden ließ (sowas habe ich sonst in Fantasybüchern doch recht gerne zur Orientierung. Quasi Standardausrüstung). Ansonsten bin ich sehr gut mit der erwähnten Umgebung zurecht gekommen. Ich freue mich schon sehr auf die Fortsetzung - ja, leider handelt es sich auch hier um den Auftakt einer neuen Reihe.

Fazit:


Wieder einmal eine sehr schöne Ausführung einer Geschichte für bücherliebende Menschen und solche die es werden wollen. Das Buch lädt garantiert zum Entdecken ein und gute Konzentration auf kleine Hinweise zahlt sich auf jeden Fall aus und sorgt für gute Unterhaltung.

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Titel: Ein Meer aus Tinte und Gold
Autorin Tracy Chee
Verlag: Carlsen
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
Reiheninfo: Band 1/?

Mittwoch, 1. Februar 2017

Carry On [Rezension]

Mein "Auflesen" Motto des Monats Januar traf auch dieses (in meiner Lesegeschichte #3) Buch von Rainbow Rowell. Nachdem ich von Fangirl recht begeistert war, musste natürlich sogleich das Spin-Off davon her, das ich mir sogleich als ebook kaufte. Tatsächlich ist es dann zunächst beinah ein Jahr lang versumpft. Ich bin ausgesprochen froh, dass ich es wieder hervorgehoben habe.



Inhalt:


Trotz einer großen unmittelbaren Bedrohung besucht Simon Snow auch das letzte Jahr seine Schule für Zauberer. Neben der täglichen Gefahr durch das tückische Humdrum*, welches die ganze magische Welt zu verschlucken scheint hat er auch noch die Trennung von seiner Freundin und das Verschwinden seines Mitbewohners zu verarbeiten. Merkwürdigerweise scheint ihn jedoch letzteres am meisten zu belasten, obwohl er den hinterlisten Vampir Baz, mit dem er seit dem ersten Schultag sein Zimmer eigentlich abgrundtief hasst.


Mistys Meinung:


Da habe ich wohl eine etwas verwirrende Inhaltsangabe verfasst, aber es ist wirklich schwierig den Inhalt derart zusammen zu kürzen, daher möchte ich hier noch ein paar helfende Ausführungen machen. Zunächst einmal: ja, wir haben hier eine Art Harry Potter Abkupferung, sowohl was die Figuren, die magische Welt und natürlich auch die Zaubererschule angeht. Das ist von der Autorin absolut gewollt und bezieht sich auf die Fan Fiction, die ihre fiktive Hauptfigur in ihrem anderen Roman Fangirl verfasst. Das heißt wir haben hier die Fan Fiction einer fiktiven Harry-Potter-basierten Fanfiction. Das Highlight daran: Cath -die Protagonistin von Fangirl- verfasst eine Fanfiction in welcher die beiden männlichen Opponenten sich ineinander verlieben. Man stelle sich also eine Romanze zwischen Harry und Draco vor.

Nun zur eigentlichen Geschichte. Wie erwähnt hatte ich zunächst etwas Schwierigkeiten in die Geschichte zu kommen, auch für mich war es nicht ganz einfach eine Welt kennen zu lernen, die quasi im letzten Schuljahr einsteigt, Harry Potter und Hogwarts derart ähnelt und es doch nicht ist, weil ich die Figuren natürlich noch nicht so lange kenne. Erst als ich über die ersten 100 Seiten hinaus war konnte ich mich mit den Charakteren zurechtfinden und dank vieler Rückblicke auch die fehlenden Schuljahre aufholen. Erst ab diesem Zeitpunkt merkte ich so richtig, dass ich in gewisser Weise auch eine Parodie von HP vor mir hatte, was ich dank vieler witziger Seitenhiebe der Autorin doch sehr genossen habe.

Nebst der vielen humorvollen Stellen konnten für mich im Vergleich aber vor allem auch die Figuren und ihre ambivalenten Charakterzüge glänzen. Ganz im Unterschied zu Rowling haben wir in dieser Geschichte nämlich noch weit weniger Schwarz-Weiß Darstellungen, sondern viele Abstufungen und Entwicklungen. Auch die politischen Machtverhältnisse treten viel stärker in den Vordergrund und oft hatte ich das Gefühl hier auch eine geschichtliche Abhandlung von Revolution und Diktatur vor mir zu haben, magische Welt hin oder her. Das hat mich zwar in diesem Genre sehr überrascht, ich fand diese Mischung jedoch ausgesprochen gelungen.

In letzter Zeit scheine ich warm für Liebesgeschichten zu werden, wie mir scheint, denn auch diese hier fand ich ganz wundervoll. Die entsprechenden Konfliktpunkte der beiden Rivalen bietet natürlich eine tolle Basis für diverse Tauzieh-Momente, die die Autorin auch sehr geschickt nützt um Spannung zwischen den beiden aufzubauen. Besonders schön fand ich aber auch, dass endlich einmal nicht viel diskutiert wird à la "bin ich wirklich schwul?", sondern dass es schlichtweg von den Figuren so hingenommen wird. Angenehme Abwechslung.

Das Englisch ist wie üblich im Jugendbuchbereich eher leicht zu verstehen, ein paar Magiebegriffe kannte ich schon aus der Hogwartswelt, ein paar neue Wörter waren natürlich trotzdem dabei. Lest das Buch doch bitte und sagt mir wie ihr HUMDRUM in diesem Kontext übersetzen würdet.

Fazit:


Ein klares Monats- und womöglich sogar Jahreshighlight, dass aufgrund seiner überraschenden Komplexität hinsichlich der Figuren, der angenehmen Liebesgeschichte (frei von Kitsch; versprochen!) und der richtigen Portion an Spannung ein vollkommenes Lesevergnügen war.

*jeder der sich in der Lage fühlt The Insidious Humdrum gekonnt zu übersetzen, möge nun vortreten!

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Titel: Carry On
Autorin: Rainbow Rowell
Verlag: Macmillan
Sprache: Englisch
ebook: 529 Seiten