Inhalt:
Die junge Jbara fristet ein ärmliches, von Männern dominiertes Leben in einem scheinbar gottverlassenen Dorf mitten in der Wüste. Doch sie glaubt fest an Gott, nur erwünscht sie sich von ihm ein anderes, weltverbunderes Leben. Ihr Wunsch wird erfüllt, als ein Koffer bestückt mit teuren Gewändern und Geld von einem passierenden Touristenbus fällt. Verwegen macht sich Jbara mit diesen Reichtümern in die Stadt auf, doch hat sie ihre Vergangenheit und Abhängigkeit mit im Schlepptau.
Mistys Meinung:
Dieser Comic, der eine bildreiche Adaption des Romans von Saphia Azzeddine darstellt, hat mich eindeutig alles andere als kalt gelassen. Als große Freundin fantasievoller Unterhaltungsliteratur in der Comic Sektion bin ich ernste Themen nur aus der Belletristik gewöhnt, ich hatte also keine Ahnung wie gut sie gerade auch in Bildern wirken können. Die Geschichte und ihre starken Zeichnungen haben mich daher sehr beeindruckt und gleichzeitig auch schockiert, sodass ich erst einige Wochen verstreichen lassen musste, um mir in Ruhe meine Gedanken darüber zu bilden.
Nun kann ich aber sagen, dass ich erstaunt bin wie gut die beiden Hauptelemente Emanzipation und Religion in dieser Geschichte ineinander greifen. Gerade im Islam müssten sich diese beiden Einheiten eigentlich schärfer konkurrieren (oder erliege ich Vorurteilen?), doch in diesem Buch führen sie durchaus eine friedliche Koexistenz, was nicht heißt, dass die Hauptfigur nicht mehrmals an ihrem Glauben zweifelt. Trotzdem bleibt sie durch ihn bestärkt und sucht ihren Weg in die Unabhänigkeit, der erschreckenderweise aber vorerst nur durch Prostitution funktioniert. Doch Jbara lotet ihre Grenzen aus und gewinnt an Macht und Reichtum, wo sie kann, ohne irgendeine Form der Reue oder Erniedrigung zu zeigen. Wenn überhaupt scheinen ihr manche Eskapaden lästig zu fallen, aber an ihrem Werdegang lässt sie sich nicht hindern.
Was mich an ihr als Figur aber besonders beeindruckt hat, ist die Tatsache, dass in ihren teils zornigen Anrufen an Gott zwar gewissen Klagen ausspricht, aber keine Schuldigen sucht, vielmehr stellt sie klare Fakten in den Raum, die sie aber auch als solche akzeptiert, ganz gleich wie hart es sie im Leben erwischt. Dabei fand ich es sehr passend, dass sie sich zwar positiv entwickelt und auch versucht an Bildung zu gelgangen, sie diese Möglichkeiten aber immer nur durch die Macht und Hilfe von Männern wahrnehmen kann. Diese Wendungen erschienen mir einfach authentischer, wenngleich sie natürlich auch sehr hart mit anzusehen sind. Trotzem wird beiweiten kein rein negatives Bild von ihren Helfern gezeichnet und diese Ambivalenz habe ich wirklich genossen, da sie mir ebenfalls sehr realistisch erschienen ist.
Die Zeichnungen konzentrieren sich sehr stark auf die handelnden Figuren, insbesondere auf deren Gesichter und die entsprechende Mimik. Dadurch wurden sie für mich besonders aussdrucksstark und ich konnte die Gedanken und Gefühle sehr gut nachempfinden. Brutale Szenen wurden manchmal nicht explizit gezeichnet, wodurch sie aber ihre Wirkung nicht verloren haben, da sie so die Vorstellungen des Lesers natürlich zusätzlich anheizen. Grunsätzlich drängt der Comic den Lesenden keine direkte Meinung oder Message auf, es bleit einem ganz selbst überlassen, wie man die Geschichte letztlich auslegen möchte.
Fazit:
Eine überaus gelungene, ernstzunehmene Geschichte, die eine starke Frau mit einem starken Glauben versieht und durch aussdrucksstarke Bilder zum Leben zu erwecken weiß. Emanzipation einmal anders.
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Titel: Zorngebete
Illustratoren: Eddy Simon, Marie Avril
Verlag: Splitter
Sprache: Deutsch
Gebundener Comic: 86 Seiten
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