Inhalt:
Auch wenn Stefan Zweig kein Freund biographischer Texte war, beschreibt er in diesem Werk ausführlich in Auszügen sein eigenes Leben. Dabei konzentriert er sich hauptsächlich auf die literarischen Einflüsse seiner Zeit, die durch viele wichtige Schriftsteller, Dichter und andere Künstler einhergingen. In einfühlsamen Anekdoten und ausführlicheren Beschreibungen berichtet Zweig über die vielen Freundschaften vor und während der beiden Weltkriege und gibt dem Leser Einblicke in die Welt von gestern.
Mistys Meinung:
Passend zum Film Vor der Morgenröte, habe ich ich im Mai gleich zwei Werke Stefan Zweigs gelesen (vom Erscheinen des Filmes habe ich aber erst im Anschluss erfahren). Neben Sternstunden der Menschheit das mir ausgesprochen gut gefallen hat, wollte ich auch endlich Die Welt von gestern gelesen haben.
Abgesehen von der fast parallelen Erscheinung des Films habe ich dieses Buch auch zu einem politisch mehr als passendem Zeitpunkt gelesen. So begann in Österreich kurz nach Beginn der Lektüre die Stichwahl der beiden sehr konträren Bundespräsidentschaftskandidaten. Ich war ohnehin schon durch die vielen grauenhaften Parolen und Kommentare auf Facebook aufgewühlt, doch nebenbei noch dieses Buch zu lesen hat mich wirklich sehr beschäftigt. Wie sehr sich gewisse Vorgänge der Geschichte zu wiederholen scheinen empfand ich dabei als ebenso gespenstisch wie beängstigend. So wollten auch Zweigs Zeitgenossen weder vor dem Ersten, noch vor dem Zweiten Weltkrieg die politischen Umbrüche so recht ernst nehmen und wurden in ihrem Glauben "soetwas könne in einer zivilisierten europäischen Gesellschaft doch gar nicht passieren" wiederholt vor den Kopf gestoßen.
Abgesehen von seiner einfühlsamen Schreibweise konnte ich persönlich gut sehr gut nachempfinden wie sehr Zweig, der nicht nur als Pazifist, sonder vor allem als Europäer auftrat an der zunehmenden Ab- und Ausgrenzung zu leiden hatte. Entsprechend furchtbar fand ich selbst dabei die Vorstellung unser Land könne wieder in diesen Zustand zurückfallen. Abgesehen von den politischen Vorgängen dieser Zeit, die ein jeder Leser so viel oder so wenig auf die heutige Zeit beziehen kann wie er möchte sind vor allem Zweigs Bekanntschaften in diesem Buch besonders interessant. Zwar war mir durchaus bekannt, dass er viele Kontakte zu anderen Literaten und Künstler pflegte, doch ich wusste natürlich nichts genaueres um die die zum Teil sehr engen Freundschaften.
So kam ich mittels seines sprachlich ausgefeilten Schreibstils etwa in den Genuss über einige Anekdoten aus Rilkes Leben lesen zu dürfen. Neben Rilkes Texte habe ich mir natürlich schon einige biographische Fakten aus seinem Leben angeeignet, eine lebensnahe Beschreibung durch einen Freund wie Stefan Zweig spielt diesbezüglich aber natürlich auf einer vollkommen anderen Ebene und ich las die jeweiligen Passagen mehrmals begeistert.
Natürlich bleibt Rilke dabei weit nicht der einzige Dichter, dem Zeilen gewidmet werden, Zweig greift auf unheimlich viele andere wichtige Persönlichkeiten seiner Zeit zurück, die natürlich nicht minder interessant sind (aber ein jeder hat nunmal seine persönlichen "Literatur-Heiligen"). Jedenfalls gelingt es ihm wundervoll einen lebendigen Rückblick in die Zeit vor-und nach der Jahrhunderwende zu geben und sich dabei nicht nur auf Österreich, sondern ganz Europa zu beziehen.
Fazit:
Eine ausführliche, gefühlvolle Schilderung, die sehr viele Einblicke in die Vorgänge und Umfelder von Stefan Zweigs Leben gibt. Weltliteratur, die sehr gut auch auf heute bezogen werden kann und auch soll!
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Titel: Die Welt von gestern
Autor: Stefan Zweig
Sprache: Deutsch
Verlag: Anaconda
Gebundene Ausgabe: 575 Seiten
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