Die "ältere deutsche Literatur" hat es in sich: Der Ackermann des Johannes von Tepl entstand bereits um 1400 und enthält doch soviel Witz und makabere Ausdrücke, wie man sie erst mehrere Jahrhunderte später erwarten würde. Das Werk besteht aus einem Dialog zwischen dem menschlichen Erzähler, der sich selbst Ackermann nennt und dem Tod persönchlich. Dabei wird jedem abwechselnd ein Kapitel zugewiesen. Anfangs hört sich der Tod noch geduldig die Klage des Ackermanns an (dem kürzlich die Frau verstorben ist), aber bald schon verspottet er diesen aufgrund dessen geringer Einsicht gegenüber der Notwendigkeit des Sterbens:
"...Du magst aus einem Menschenkind machen, was Du willst, es kann doch
nicht mehr sein, als was ich Dir sagen werde, mit Erlaubnis aller reinen
Frauen. Ein Menschenkind wird in Sünde empfangen, mit unreinen,
unsäglichem Unflat im Mitterleib genährt, nackt geboren und ist ein
beschmierter Bienenstock, ein ausgemachtes Dreckstück, ein schmutziges
Triebwesen, ein Kotfaß, eine verdorbene Speise, ein Stinkhaus, ein
ekliger Spülzuber, ein fauliges Aas, ein Schimmelkasten, ein bodenloser
Sack, eine löchrige Tasche, ein Blasebalg, ein Gierschlund, ein
stinkender Lehmtiegel, ein übelriechender Harnkruf und geschminkte
Trübsal. Es höre, wer da wolle: ein jedes fertige Menschenkind hat neun
Löcher in seinem Leib, aus denen allen tritt so ekliger und dreckiger
Unflat, daß es nichts Schmutzigeres geben kann. Ein so schönes
Menschenkind sahst Du nie, daß Dir nicht, hättest du Luchsaugen und
könntest sein Inneres durchdringen, darüber grausen würde. Nimm weg und
zieh ab einer schönen Frau den Schneiderglanz, so siehst Du eine
jämmerliche Puppe, eine rasch welkende Blume, ein kurz währendes
Trugbild und einen bald zerfallenden Erdklumpen [...]. Lass hingehen Glück, laß hingehen Unglück, laß fließen den Rhein wie andere Gewässer, Esel, bauernschlauer Götterknabe!"*
*Johannes von Tepl: Der Ackermann.Frühneuhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Christian Kiening. Stuttgart: Philipp Reclam Verlag 2009, S. 51/52
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