Mittwoch, 23. April 2014

Roter Mond [Rezension]

Meine Sehnsucht nach guter Werwolfsliteratur ist wohl beinah unstillbar, obwohl in meiner virtuellen Friedhofsbibliothek eigentlich bereits hinter jeder Regalsecke ein Knurren und Krallenschaben zu hören ist. Da Massentierhaltung in Bücherregalen jedoch durchaus legal ist musste ich bei diesem Buch sofort wieder zuschlagen -obwohl es sich um ein teures Hardcover handelt..aber bei Werwölfen mache ich da gerne eine Ausnahme und zerre einen weiteren durch die Friedhofstore. Auch dieses Buch hilft mir bei der Olympia-Challenge als Buch in dem sich zwei gegnerische Instanzen bilden.





Inhalt:


Claire ist eine Lykanerin und wäre doch eigentlich am liebsten eine ganz normale Jugendliche, die einfach nur banalen Alltagsbeschäftigungen nachgehen kann. Nach einer Serie von Flugzeuganschlägen, zu der sich eine radikale Lykanergruppe bekennt stürmen jedoch bewaffnete Regierungsagenten ihr Haus und erschießen ihre Eltern. Claire gelingt gerade noch die Flucht und sie muss lernen sich in einer Welt zurecht zu finden in der Gewalt mit Gewalt beantwortet wird und Diskriminierung an der Tagesordnung liegt.

Mistys Meinung:


"Hätte George Orwell sich eine Zukunft mit Werwölfen ausgemalt, dann wäre genau dieser Roman dabei herausgekommmen." -John Irving

Dieses Zitat ziert das Titelbild des Romans und mich interessierte daran weniger, dass sowohl Orwell als auch Irving benutzt werden um dieses Buch zu verkaufen, sondern, dass scheinbar Werwölfe in einen dystopischen Gesellschaftsroman gemischt werden. Kann so etwas funktionieren?

Bereits nach wenigen Seiten wurde mir klar: Wie der Autor das ganze aufbaut funktioniert die Geschichte ausgezeichnet. So könnte man zwar den Eindruck bekommen, dass die Werwölfe die Funktion haben eine Gesellschaftskritik ordentlich mit Action zu vermengen, doch dieser Roman weiß diesbezüglich viel mehr zu bieten. Wiederholt stellt man sich als Leser die Frage, ob die mit Lobos (eine Art Virus, das dazu führt, dass die Betroffenen sich verwandeln) infizierten Menschen nun als Opfer einer Seuche betrachtet werden sollen, oder vielmehr als eigene Bevölkerungsgruppe. Hierbei stellt der Autor, der wissenschaftlich und politisch wohl ziemlich genau recherchiert haben dürfte, ausgesprochen geschickte Verbindungen zu HIV-Infektionen und sozialen Minderheiten her.

Ganz gleich wie die Figuren die Lykaner einordnen wollen, das Wort Diskriminierung ist dabei jedesmal von entscheidender Bedeutung. Viele Lykaner kämpfen verzweifelt darum die Gesetzeslage zu verändern, die sie beruflich und sozial an den gesellschaftlichen Rand drängt. Dabei schließen sich einige zu Terroreinheiten zusammen, die nicht davor zurückschrecken sich mit blutigen Anschlägen Gehör zu verschaffen. Diese reizen besonders die konservative, republikanische Regierung die Gesetze zur Sicherheit der Bürger zu verschärfen. Die radikaleren Bewegungen antworten darauf natürlich mit noch mehr Gewalt, sodass sich sehr bald ein Teufelskreis entwickelt. Die Verbindungen zu den Anschlägen von 2001 und bisherigen Unabhängigkeitsbewegungen sind dabei natürlich nicht zu übersehen, wirken jedoch nicht zu aufdringlich.

In diesem Wirbel stehen die beiden Hauptfiguren Claire und Patrick, deren bisheriges Leben komplett aus den Fugen gerät und ihr Erwachsenwerden massiv negativ beeinflusst. Besonders Patrick macht für mich eine sehr interessante Entwicklung durch, wobei ich sagen muss, dass er und auch Claire zu wirklich bedauernswerten Zielscheiben ihrer Umgebung werden. Die traumatisierenden Schicksalsschläge sind für meinen Geschmack etwas zu gehäuft, andererseits funktioniert die Geschichte dadurch natürlich sehr gut, da man als Leser ziemlich mitleidet.

Der Autor animiert den Leser geschickt die Einstellungen der Figuren, vor allem jener die politische Ämter besetzen, krititisch zu betrachten. Man hat jedoch keineswegs das Gefühl eine eindeutige Predigt aufs Auge gedrückt zu bekommen, da sowohl die Regierung wie auch die radikalen Gruppen ständig zwischen Gut und Böse schweben. Dabei soll es dem Leser wohl bewusst schwerfallen zu entscheiden hinter welche Seite sich das Grauen nun wirklich verbirgt.

Fazit:


Eine ausgesprochen gelungene Mischung zwischen brutaler Werwolfsgeschichte und politisch interessanter Dystopie. Der Roman funktioniert dabei sehr gut als Mahnmal und überzeugende Parabel auf die heutige Welt.

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Titel: Roter Mond
Autor: Benjamin Percy
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 638 Seiten

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