Freitag, 15. Juni 2012

Der Große Fall [Rezension - oder so]

Und einen weiteren Schritt habe ich mich auf die Literatur Handkes zugewagt - musste ich mich wagen. Bei meinem Schreiten in dieses Buch hinein bin ich allerdings erst selbst mal gefallen -in ein Konzentrationsloch. Wenn die vorige Fantasyliteratur mich mitgerissen hat in eine bunte, wilde Welt so hat mich diese Geschichte erstmal zurückgehalten, hingesetzt und mich angewiesen zu warten. Zu warten und zu schauen (und nochmal zu warten). Als ungeduldige, schnelle Leserin, die auf Handlung aus ist..nun ja, als eine solche fällt die Konzentration da recht schwer.

Handlung:


Die Erzählung befasst sich mit einem -dem letzten?- Tag eines Schauspielers, der aus dem Haus seiner Geliebten(??), das im Wald liegt, hinein in die Stadt wandert. Auf seinem Weg sieht dieser Protagonist sehr viel und denkt sich noch viel mehr. Die von ihm angestellten Reflektionen erscheinen mir aber nicht immer ganz von dieser Welt, oder liegen zumindest außerhalb meiner bekannten und zum Teil auch möglichen Denkenswelt. Sie reichen von kultur- und vor allem gesellschaftskritischen Elementen zu Tötungs-, Rettungs- und Vergangenheitsgedanken. Ähnlich geschieht dies auch bei seinen Handlungen, er trifft auf einige Menschen -bekannt wie unbekannt- und sein Verhalten erscheint dabei selten schlüssig, oder sagen wir üblich. Die Beobachtungen, die dieser Schauspieler (der vom Erzähler nicht selten "mein Schauspieler" genannt wird) auf dieser Wanderung macht erscheinen dabei ebenso detailreich wie surreal...und er wandert lang.

 

Mistys Meinung:


Zugegeben, dieses Buch verlangt Geduld, sehr viel Geduld, aber es hat doch einen ganz eigenen Reiz. Wenn man sich drauf einlässt bekommt man eine anspruchsvolle Handkeführung durch dessen interessante Erzähllandschaft. Mir gingen dabei vermehrt Lichter auf (wenn manche auch im selben Satz mit einem traurigen Zischen wieder ausgelöscht wurden) und gerade weil sehr viel zu rätseln bleibt hat das Lesen eine besondere Wirkung. In vielen Sätzen reichen sich Kafka und Stifter die Hand, in anderen wiederum winkt Handke höchst selbst.

Und ob der große Fall ein Fall im Sinne des Fallens (die durch Gravitation bewirkte Bewegung eines Körpers nach unten) oder eher ein Rechtsfall, möglicherweise sogar Sündenfall ist...ich habe keine Ahnung. Es empfiehlt sich diese Frage nach der Lektüre selbst zu entscheiden und wenn möglich mit anderen Lesern zu diskutieren.

Leseprobe:


"Sie brachen ab, oder ich war es, der sie abbrach, die Freuden. Und das rührte daher, daß meine Freude, indem sie sich ausbreiten wollte über mich hinaus, in einem bestimmten Moment unweigerlich an das Unglück der anderen stieß, an mein Bewußtsein vom Unlück, vom Elend und von der Verlassenheit der anderen."*

*Peter Handke: Der Große Fall. Berlin: Suhrkamp 2011, S.186/87
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Titel: Der Große Fall
Autor: Peter Handke
Sprache: Deutsch
Gebundene Ausgabe: 279 Seiten


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